a) Die Komturei Werben.
Das kirchliche Leben in der Stadt hing auf das engste mit der Johanniter-Komturei zusammen; eine Schilderung des kirchlichen Lebens muss daher wesentlich zu einer Beschreibung der Komturei Werben werden.
Als die älteste Komturei in ganz Pommern, Sachsen, Mark und Wendland wuchs die Werbener Komturei bald an Macht und Ansehen. Alle Besitzungen, welche der Orden in den Nachbarländern, ja sogar auch diejenigen, welche er in Pommern und Westpreußen in der Folgezeit erwarb, wurden der Komturei Werben überwiesen. Dieselbe hatte daher vor den übrigen Komtureien der Ballei auch den Vorzug voraus, dass der hiesige Komtur in der Regel das Amt eines Ordenshauptes für die oben bezeichneten Gebiete wahrnahm. Was Sonnenburg für den Orden in späteren Zeiten wurde, die Residenz seines Gebieters und der Sitz der Ordensregierung, war in der früheren Zeit gewöhnlich Werben. Dieser Vorzug Werbens vor anderen Komtureien trat erst nach dem Heimbacher Vertrag (1382) in den Hintergrund und erlosch ganz, nachdem im Jahre 1426 Sonnenburg Sitz des Herrenmeistertums wurde.
Im Anfange verwalteten die Komture die ihnen anvertraute Ordensbesitzung auf Rechnung, indem sie den Überschuss der Einkünfte über die Verwaltungskosten an die Ordenskammer ablieferten. Später hatten sie nur einen Jahreszins, den man Respon nannte, dem Herrenmeister zu entrichten, die gesamte Nutzung der Komturei war ihnen dagegen zu beliebiger Verwendung überlassen. Auf dem Ordenshofe zu Werben führte der Komtur die Wirtschaft, um das gemeinschaftliche Hauswesen zu unterhalten, dessen die Komturei in ausgedehntem Maße bedurfte. Es war Pflicht, gegen die Ordensoberen und reisenden Ordensbrüder, welche die Komturei besuchten, Gastfreundschaft zu üben, dem Pfarrer und Konventsbrüdern sowie auch dem Küster, von denen erstere auch im Ordenshause wohnten, den täglichen Naturalunterhalt zu gewähren, desgleichen die Kapläne und sonstige geistliche und weltliche Diener des Komturs zu versorgen, und endlich die dem Komtur durch Stiftungen aufgelegten Gastmähler für Kirchen- und Schulbediente, sowie die Spenden an die Armen auszurichten, auch in späterer Zeit dem Landesfürsten für Heereszüge zwei reisige Pferde zu unterhalten, mit denen die Komturei dem Aufgebot zu folgen verpflichtet war. In den zur Komturei gehörigen Gütern und über deren Bewohner, soweit diese Besitzungen nicht dem Konvente oder der Kirche besonders vorbehalten waren, nahm der Komtur die gutsherrlichen Rechte wahr und versah – mit Ausnahme des Blutbannes – die Gerichte. Über die der Komturei beigelegten Kirchen übte er das Patronatsrecht aus, verfügte also über die Besetzung des Pfarramtes und beaufsichtigte den Gottesdienst. Die Pfarrer dieser Kirchen nebst den Altaristen und Kommendisten derselben und die Konventsbrüder des Ordenshauses betrachteten ihn in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten als ihr Oberhaupt und waren dem Komtur zum Gehorsam verpflichtet. Aus der Zeit bis 1319 sind aus Urkunden die Namen folgender Werbener Komture zu ersehen (die Zahlen hinter den Namen bezeichnen die Jahre, aus welchen die betreffenden Urkunden stammen):
Heinrich, 1217 - 1229 genannt. Es wird von diesem treuen Manne gerühmt, er habe sehr für das Gedeihen des Ordens gesorgt und sich durch mannigfache Dienste den Herzog Albrecht von Sachsen zu Dank verpflichtet.
Udo, 1244.
Cesarius, 1251.
Winrikus, 1263.
Alard, 1264, der wohl durch den in der Urkunde ihm beigelegten Titel „Magister“ als Komtur aus der Reihe der dort genannten Männer hervorgehoben wird.
Ulrich von Belleberg, 1270. 1271 ist er Vize-Präzeptor des Ordens in Sachsen und Wendland.
Moritz, 1283, 1288, 1300.
Gerhard von Wanzleben, 1312, 1313, 1317, 1321, 1326, und zwar 1321 genannt als Statthalter des Paul von Mutina in Mark und Wendland.[12]
Neben dem Komtur stand, wie schon erwähnt, ein Konvent von sechs bis sieben Ordensbrüdern, welche Priester waren. Sie hielten täglich die kanonischen Stunden, sangen im Chor, lasen die Messe, kurz, sie versahen alle priesterlichen Geschäfte. An einem Teil der Nebenaltäre in der St. Johanniskirche verwalteten sie selbst die Pflichten der Altaristen, die übrigen Altäre und Pfarren, Kapellen und Kommenden, welche der Ordenskomturei angehörten, wurden ebenfalls mit Ordensbrüdern, die aber dadurch noch nicht Konventsbrüder wurden, besetzt. Wir nennen die folgenden Ordens- und Ortsgeistlichen aus dem genannten Zeitraum: Jacobus, 1217; Heinrich, 1251; Gottschalk, 1263; Bruder Crafto de Boxberg, Bruder Gerardus Presbyter, Bruder Winrikus und Ulricus, 1264; Bruder J. de Briceke, Ortsgeistlicher, Henricus de Kare, Bruder Cuerhardus, Kapellan, und Bruder Her. de Rumrode, 1313.
Die Komturei trug viel mehr einen mönchischen als einen ritterlichen Charakter. Wir finden darin das Walten eines Priestertums, das sich von dem Mönchsleben fast nur dadurch unterschied, dass die Johanniterbrüder eine vorherrschende Neigung zum behaglichen Lebensgenuss und zu sinnlichen Freuden ungescheut zur Schau trugen und den strengen Einrichtungen fern blieben, womit die Ordensregeln den Klosterbruder vor sittlichen Verirrungen bewahrten. Andererseits gingen sie mit so erfinderischem Erwerbseifer den ökonomischen Vorteilen des Stiftes nach, wie sich ein Gleiches von den Mitgliedern klösterlicher Stifte der Mark nicht nachweisen lässt.
Wie bei anderen geistlichen Stiften damaliger Zeit, so wurden auch bei der Komturei Werben die Vigilien und Messen zum Seelenheil Verstorbener teuer verkauft. Selbst der Rat der Stadt Werben stiftete durch Darreichung von 100 Mark Silber bei den Ordensbrüdern eine tägliche Frühmesse zum Seelenheil aller Bürger der Stadt. Noch viel häufiger waren solche Messstiftungen von Privatleuten. Im Jahre 1251 stifteten Albert von Redekesdorf und Hampo von Plaue Getreidehebungen, für welche eine tägliche Messe in der Werbener Kirche gelesen werden sollte. Besonders gingen solche Stiftungen von Witwen aus, welche dadurch das Seelenheil ihrer verstorbenen Gatten berieten. Auch die Markgräfin Anna gehörte zu diesen, indem sie 1313 für ihren verstorbenen Gemahl, den Markgrafen Hermann, eine tägliche Messe von den Ordensbrüdern erkaufte. Manche richteten sogar eigene mit besonderen Einkünften versehene Altäre auf. So bestand schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ein von den Familien von Plaue und von Redekesdorf gestifteter Marienaltar in der Kirche. Im Jahre 1317 erkaufte auch Markgraf Johann für seinen Vater Hermann eine tägliche Messe. Immer mehr stieg das Ansehen und die Wohlhabenheit der Komturei: Papst Innocenz verbot 1246 den Bischöfen und geistlichen Nichtern gegen den Johanniter-Orden die Exkommunikation oder das Interdikt zu verhängen; Graf Leonhard von Danneberg und dessen Söhne vereigneten den Johannitern zu Werben die Pfarrkirche zu Rohrberg im Jahre 1264; im Jahre 1279 trat der Konvent mit dem Kloster Lehnin in ein Vertragsverhältnis, wodurch diese Stifte sich gegenseitig ihre Verdienste mitteilten; im Jahre 1283 verkauften die Grafen Dietrich und Heinrich von Osterburg einen Zehnt über 24 1/2 Hufen und 6 Morgen Landes samt 2 Pfund brandenburgischer Münze an jährlichem Einkommen für 162 Mark brandenburgischen Silbers, desgleichen in demselben Jahre einen Zehnt im Dorfe Hindenburg für 144 Mark Silber; im Jahre 1310 überließen Beteke und Alverich von Nedekesdorf dem Ordenshause in Werben 14 Ackerstücke bei dem Dorfe Lennewitz und im Jahre 1319 überließ die Herzogin Anna der Komturei einen Hof zu Behrendorf.
Mit der wachsenden Bedeutung stellte sich die Notwendigkeit heraus, die Ordenskirche zu vergrößern, denn schon längst nicht mehr genügte die kleine romanische Kirche des 12. Jahrhunderts. Die vielfachen Schenkungen der Herzogin Anna von Breslau und ihres Sohnes Johannes in den Jahren 1313, 1317 und 1319 ermöglichten denn auch eben in diesen Jahren einen stattlichen und umfangreichen Neubau; nur der Turm blieb unverändert. Von der damals neu errichteten Kirche sind heute noch die unteren Teile der Seitenschiffsmauern auf Süd- und Nordseite sowie die beiden eben dort befindlichen vermauerten Portalreste mit ihren reichen Profilen erhalten.