4. Die Werke der bildenden Kunst.
1. Die Kanzel wurde nach einer am Aufgang befindlichen Inschrift von Michael Spies, einem Magdeburger Bildhauer, hergestellt. Das Jahr ihrer Erbauung, 1602, steht über dem Aufgange. Bei der letzten Restauration wurden für die Renovation der defekten Kanzel etwa 205 Thaler angewandt.
Die aus Sandstein gefertigte Kanzel wird von dem Standbilde Johannes des Täufers getragen. Die Wandung des Aufgangs trägt Bilder aus der Lebensgeschichte Jesu, und zwar von oben nach unten „Verkündigung Mariä" (Luc. 1), „Geburt Jesu" (Luc. 2), „Taufe Jesu" (Luc. 3), „Kreuzigung Jesu" (Marc. 15), „Auferstehung Jesu“ (Marc. 16), „Himmelfahrt“ (Marc. 16), „Ausgießung des heiligen Geistes" (Act. 2) und „Das jüngste Gericht" (Matth. 25). Zu den Seiten und zwischen den einzelnen Darstellungen sehen wir neun Apostel, die letzten drei stehen über dem Aufgange. Über jeder Darstellung sind die folgenden Hausmarken angebracht:
M. K. = Matthias Konow,
D. K. = David Knodde,
J. F. = Joachim Franke,
H. L. = Hans Lüdeke,
F. B. = Franz Belitz,
J. B. = Joachim Bertram,
A. F. = Arendt Fritze,
P. G. = Palmus Grube.
Nr. 1-7 sind Hausmarken von damaligen Mitgliedern des Rates und des Kirchenvorstandes, Nr. 8 ist die Hausmarke des damaligen Diakonus Palmus Grube.
An der Seite ist unten das Wappen und der Name des Künstlers angebracht: M. Michael Spies, Bildhauer in Magdeburg. Über der Tür des Aufganges steht der Spruch: „Rufe getrost und schone nicht!“ „Erhebe deine Stimme wie eine Posaune!“ Über dem Bilde des Johannes steht in lateinischer Sprache: „Das Wort Gottes bleibet in Ewigkeit", über jenem Spruch im Rundbild der Heiland der Welt mit der Umschrift: Salvator mundi. Anno 1602.
2. Von den Grabdenkmälern ist bei weitem das herrlichste das, welches sich der B. Joachim Franke 1608, also noch bei seinen Lebzeiten, errichten ließ. Durch die ganz unten angebrachte Hausmarke, welche drei 2:1 gestellte, mit Zirkeln versehene Schildchen und die Anfangsbuchstaben H. H. aufweist, können wir mit Recht annehmen, dass der Werbener Hans Hake der Schöpfer dieses Denkmals ist. Die Nichtigkeit und Flüchtigkeit des menschlichen Lebens zeigt der darüber befindliche ruhende Engel an, der die eine Hand auf einen Totenkopf, die andere auf eine Sanduhr gelegt hat. Über die Bedeutung des Denkmals klärt uns die darüber stehende Inschrift auf: Anno 1616 den 7. August ist der Erbar und Wohlweiser Joachim Franke, weiland Bürgermeister alhier zu Werben in Gott seliglich entschlafen. Dessen Seele Gott gnädig und barmherzig sei um Jesu Christi willen. Amen. Die vorn nachträglich an dem Denkmal angebrachte Hausmarke mit den Anfangsbuchstaben A B und dem Worte Seliger weist auf die Familie Belitz hin.
In dem Mittelpunkt des ganzen Denkmals befindet sich als das Hauptstück die in Marmor trefflich ausgeführte „Kreuzigung des Herrn". Anschaulich stellt sie die einzelnen Personen und Gruppen dar: den Heiland, die Verbrecher, den Hauptmann hoch zu Ross, die um das Gewand des Herrn würfelnden Kriegsknechte, die das Haupt vor Schmerz und Entsetzen abwendende Mutter Maria. Auch der Totenschädel am Fuß des Kreuzes fehlt nicht; es mag dahingestellt bleiben, ob er nur auf den Namen Golgatha als Schädelstätte, oder auf die christliche Legende hinweisen soll, nach welcher Adam an der Stelle bestattet sein sollte, wo das Kreuz Christi nachher stand. Jedenfalls hat sich die bildende Kunst zu dieser Legende gläubig gestellt.
Über der Kreuzigungsgruppe erblicken wir gleichfalls in Marmor den „auferstehenden Christus". Wird oben das Denkmal durch drei Figuren, vielleicht Christus, Moses und Elias, gekrönt, so wird es von den vier Marmorfiguren der Evangelisten flankiert.
Wenden wir uns nun nach Westen, so kommen wir an der Tür der Sakristei und an dem Chorstuhl vorüber an die Ottilienkapelle. Zwei einander gegenüberstehende Grabmonumente fesseln in der Kapelle unseren Blick. An der linken Seite steht ein gewaltiger, in Stein ausgehauener Ritter. Zu dessen linker Seite sind die Wappen von Eberhard von Holla, Jonathas von Holla, Erngard von Broberge, Johann von Holla und Elisabeth von Munchhausen. Zu dessen rechter Seite sind die Wappen von Engel von Rammin, Otho von Rammin, Margarete von Zossenow, Otho von Rammin und Anna von Zitzewitz angebracht. Die um das Ganze herumgehende lateinische Inschrift nennt uns den Namen des Ritters: „Eberhardt von Holla, der Sohn des Jonathan, braunschweigischer Ritter, Kämmerer und Oberst des Herzogs Philipp II. von Pommern". Die Geschichte ist folgende: Eberhardt von Holla war auf der Rückkehr von einer Gesandtschaftsreise, die er im Auftrage seines Herrn nach Braunschweig gemacht hatte, in Gardelegen an einem heftigen Fieber erkrankt. Von seinem Arzt wurde er nach Werben zu seinem ehemaligen Lehrer D. Corfinius gebracht, aber hier am 21. Mai 1611 vom Tode ereilt. Die tiefbetrübten Angehörigen hinterlegten 100 Gulden, deren Zinsen sie für die beiden Geistlichen bestimmten, und erlangten dafür das Recht, den Ritter in der Kirche beizusetzen und das Denkmal zu errichten.[130]
Gegenüber dem Denkmal des Eberhardt von Holla steht ein anderes ebenso großes, das eine vornehme Frau in reich gesticktem Gewande zeigt. Die Inschrift lautet: "Anno 1608 den 3. März abends um 10 Uhr ist die ehr- und tugendreiche Matron Blandina Luidtkens, des ehrenfesten und wohlweisen Herrn Christoph Goldbeck zu Werben und in Raebel und Berge erbgesessen, eheliche Hausfrau selig entschlafen. Ihres Alters im 34. Jahre."
Zu beiden Seiten der Figur sind die Sprüche Psalm 16, V. 6 und Psalm 42, V. 2 eingemeißelt. Unten zu den Füßen der Figur ist rechts das Wappen der Familie Goldbeck (drei 2:1 gestellte Büchsen oder Becher, der Helm von einer knieenden Gestalt überragt, die in den seitwärts gestreckten Händen gleichfalls je eine Büchse hält), links das Wappen der Luidtkens, der Familie des bekannten Havelberger Domdechanten, des Vaters der Blandina (ein Schild mit vorwärts schreitendem Kranich, der Helm von gleichem Schild überragt). Das ganze Denkmal zeichnet sich durch große Feinheit der Ausführung aus.
Endlich befindet sich noch an der Nordseite, nicht weit von der Turmtür, ein Grabdenkmal. Es ist das Denkmal der Familie Barth, aus der wir früher den Pfarrer und ersten Inspektor Ambrosius Barth, den Diakonus und Nachfolger seines Vaters Johannes Barth und dessen Sohn, den Rektor Johannes Barth, kennengelernt haben. Die Eltern und die Kinder, sechs Töchter und zwei Söhne, sind figürlich in betender Stellung dargestellt. Darüber sehen wir den in der Bibel aufgeschlagenen Spruch Ev. Matth. Kapitel 22, Vers 37 und 39, rechts davon in Marmor „den Sündenfall", links „die in der Wüste aufgerichtete Schlange" (Ev. Joh. 3, Vers 14). Gekrönt wird das einfache Monument von der Hausmarke jenes ersten Johannes Barth.
Alle anderen Grabdenkmäler, die noch aus früherer Zeit vorhanden sind, finden wir an den Wänden des dunklen und dumpfen Turmgewölbes, wo man sie 1868 bei der Restauration der Kirche aufstellte. Diese Steine verkünden uns bald das stille, fromme Wirken von Werbener Pfarrherren, bald reden sie uns von anspruchsloser Pflichttreue von Werbener Bürgern und ihren Frauen, bald führen sie uns die kriegerische Laufbahn vor. Aus der Fülle der Grab- und Gedenksteine wollen wir vier besonders hervorheben:
Vom Eingang links, in der Ecke, steht ein leider schon beschädigter Grabstein, der unter einem Wappen die Inschrift trägt:
"Hier ruhet in Gott der Reichsfreiherr Hochwohlgeboren, Herr Carl Ernst von und zu Adoltsheim, Erbherr von Adoltsheim, Wagbach, Necker, Bino, Edelfingen, Lautenbach und Bocksberg, Seiner Königlichen Majestät von Preußen Wohlbestallter Hauptmann über eine Kompagnie zu Fuß, ist geboren Anno 1686 und gestorben in Werben den 29. März Anno 1721."
In der Mitte der Südseite des Turmes sehen wir einen wohlerhaltenen Gedenkstein mit den Ehewappen des Meisters Leonhard Kempfe und Anna Engeln und der Inschrift in großen lateinischen Buchstaben:
"Anno 1601 habe ich Leonhard Kempffe der Stadt Werben einen ehrbaren Rat, der ehrwürdige Herr und gemeine Bürgerschaft zur Erbauung des Predigtstuhls zur ewigen Gedächtnis hundert Gulden vorehrt, auch mein und meiner Frauen Wappen Anna Engelen genannt an die Pfeiler, da ich meinen gekauften Stuhl habe schlagen lassen."
Das Wappen des Mannes zeigt auf dem Schild den Kopf eines Ebers, wie auch der Helm von einem solchen überragt ist; das Wappen der Frau zeigt auf dem Schild die Hausmarke, darüber einen Engel in Halbfigur.[131]
An der Westseite fallen zwei Grabsteine durch ihr ehrwürdiges Alter auf, der des B. Peter Kroger und der des Komturs Joachim von Kleist. Der erstere trägt über der Hausmarke die Inschrift:
"Anno dm. 1520 am Mittwoch in den Pfingsten ist in Gott verschieden der ehrbare und fürsichtige Peter Kroger, der ältere Bürgermeister alhier zu Werben, welcher Seelen Gott gnädig sei."
Der letztere zeigt einen gewaltigen Ritter mit dem Schwert in der Rechten, mit dem Rosenkranz in der Linken, mit dem Johanniterkreuz und dem eigenen Wappen (zwei übereinander stehende Wölfe) zu seinen Füßen. Die verstümmelte lateinische Inschrift lautet auf Deutsch etwa:
"Im Jahre 1532 am Tage des Fabian und Sebastian starb der Kommendator Joachim Kleist in Werben. Seine Seele ruhe in Frieden! Amen."