1. Die Glasmalereien.
Die Kirche, deren Seitenschiffe bis zum Abschluss des hohen Chores durchgehen, ist im Ganzen mit vierzehn imposanten Fenstern versehen, von denen sich zwei von den anderen gesondert an der mittleren Nordseite befinden. Die anderen zwölf liegen in den Abschlüssen der drei Kirchenschiffe, also im östlichen Teil der Kirche. Es dürfte unzweifelhaft sein, dass die meisten derselben durch Kurfürst Friedrich II. (Eisenzahn) mit Malereien versehen sind. Ein noch in dem linken Hauptchorfenster vorhandenes Datum, welches das Jahr 1467 angibt, führt auf diese Annahme. Nicht minder die Inschrift in dem rechten der drei Hauptchorfenster: „Friedrich von Gottes Gnaden Markgraf zu Brandenburg des Heiligen Römischen Reiches und Kurfürst“, sowie eine der seltenen Darstellungen des Schwanenordens in dem mittleren Fenster des Chores. Dagegen lassen einige Darstellungen eines der anderen Chorfenster darauf schließen, dass das Letztere von Albrecht Achilles, dem Bruder und Nachfolger Friedrichs II., nach 1476 gestiftet worden ist. Hat doch Albrecht auch für die Wilsnacker Wallfahrtskirche ein oder mehrere Fenster gestiftet.
Die Verwandtschaft der Fenstermalereien in norddeutschen Kirchen aus jener Zeit berechtigt zu der Annahme, dass ein wahrscheinlich in Nürnberg ausgebildeter Kunstschaffender der Urheber dieser schönen Werke gewesen sei. Jedenfalls liegt es am nächsten, an Meister Ebbert „der Glasmaler“ zu denken, einen Maler, der 1447 in Stendal wohnte und von dort aus auch andere Orte mit Denkmälern seiner Kunst versah. Diese Fenster haben in der Komposition und der Art der Herstellung, z.B. auch in der Verwendung des gleichen Schwarzlots, viel Ähnlichkeit mit den Glasmalereien in Stendal und Wilsnack. Manche Reste aus den übrigen Malereien in den Kirchenfenstern sind freilich auch älter, ja, es lassen sich Figuren aus der Zeit des 13. Jahrhunderts nachweisen.[120]
Wie die Fenster-Malereien ursprünglich geordnet waren, ist nicht mehr festzustellen. Gewiss ist, dass jene Belagerungen des Dreißigjährigen Krieges, von denen oben die Rede war, manchem bunten Feld in den Kirchenfenstern das Dasein kostete. Eine alte Inschrifttafel besagt zwar: „Was Anno 1631 General Tilly und Bapenheim an diesem Gotteshaus verwüstet, so dringend war nötig, das hat Herr Rittmeister Frommhold von Moyer wieder anno 1638 Gott zu Ehren und zu seinem Andenken lassen reparieren." Wie weit sich aber dies auf die Malereien erstreckte, steht dahin. Jedenfalls hat sich die umfangreiche und kunstverständige Wiederherstellung und Ergänzung der Glasmalereien bis in die Neuzeit hingezogen.[121]
Im Jahre 1872 hat Professor Hasselberger, nun in Leipzig, die Gemälde in den drei mittleren Chorfenstern, welche am besten erhalten waren, restauriert. Was nach dieser Zeit noch in der Kirche an Überbleibseln alter Kunst verstreut vorhanden war, wurde später dem Königlichen Institut für Glasmalerei in Charlottenburg zur Restaurierung übergeben und von demselben in neun Fenstern der seitlichen Chorschiffe einheitlich zusammengestellt. Die sorgfältigsten Untersuchungen in Bezug auf Geschichte und Legende, die eingehendsten Vergleiche mit gleichzeitigen Darstellungen, Beratungen mit wohlunterrichteten Männern für die Feststellung auch nur des Hintergrundes, auf den etwa hie und da die dürftigen Reste in einzelnen Fällen deuten mochten, waren nötig, um die große Arbeit erfolgreich beginnen und durchführen zu können. Der Direktor des Königlichen Instituts, Maler Dr. Bernhard, hat sich all diesen langwierigen Studien mit dem befriedigendsten Erfolg hingegeben und auf Grund der von ihm festgestellten Resultate die zur Ergänzung nötigen Kartons gezeichnet.