Die Einführung der Reformation in Werben.

Dass die von Luther begonnene Kirchenreformation nicht nur auf das Kirchliche, sondern auch auf das gesamte öffentliche Leben den hervorragendsten Einfluss ausgeübt hat, ist es gerechtfertigt, dass wir auch in der Geschichtsbeschreibung dieser unserer Stadt Werben die Schilderung der reformatorischen Bewegung an die Spitze des Abschnittes stellen. Leider ist es bei dem vorhandenen äußerst mangelhaften Material nicht möglich, ein bis in alle Einzelheiten genügend deutliches Bild zu malen.

Als Dr. Martin Luther am 31. Oktober 1517 die 95 Sätze an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg schlug, tat er den ersten gewichtigen Schritt in der reformatorischen Bewegung. Dass seine Hammerschläge auch hier vernommen wurden, können wir daraus schließen, dass nun auch Werbener Studierende die Hochschule zu Wittenberg aufgesucht haben; vom Jahre 1518 bis 1560 waren sechs Werbener in den Registern der Hochschule eingezeichnet. Gewiss sind es gerade diese studierenden Jünglinge gewesen, welche voll Begeisterung die Lehren Luthers und der anderen Reformatoren nach ihrer Vaterstadt gebracht haben. Der große Streit der Zeit war damit auch hier in Werben entbrannt. In der Bürgerschaft mochten die meisten noch nicht wissen, welche Partei sie ergreifen sollten. Der Rat der Stadt aber, dem damals Mitglieder der Familien Kroger, Klinte, Pleze, Beli, Goldbe>, Jugert, Konow angehörten, war zweifellos der Träger der neuen Bewegung. Wir haben schon früher gesehen, wie er immer bestrebt war, der Veräußerlichung des kirchlichen Lebens entgegenzutreten. Der Hort der römisch Gesinnten blieb zunächst die Komturei mit ihrem Komtur und ihrer zahlreichen Geistlichkeit. Da waren einmal die eigentlichen Geistlichen der städtischen Parochie, der Stadtpfarrer mit seinem Kaplan und den Kirchendienern. Da waren auch in Werben sogenannte Terminarier oder Bettelmönche, die als Vertreter ihrer Klöster eine angesehene Stellung einnahmen. Von den Messpriestern hatten viele großen Anhang in der Bürgerschaft. Die Seelenmessestiftungen, aus denen sie ihren Unterhalt bezogen, standen zum größten Teil unter dem Patronat von angesehenen Stadtfamilien, die dann mit diesen Stiftungen gern jüngere Söhne der eigenen oder verwandter Familien versorgten. Wesentlich entscheidend für die Stellungnahme mancher Bürger mochte auch das Beispiel des Landesfürsten Joachim I. sein, der bekanntlich mit aller Kraft dem Eindringen der lutherischen Lehre in seine Lande wehren wollte. Wir können uns denken, wie trotz dieser ablehnenden Stellung des Landesherrn die evangelische Lehre immer weiter drang. Die von Wittenberg heimkehrenden Studenten, die auf den Märkten heimlich Luthers Schriften verkaufenden Buchführer, die in den Herbergen aus aller Herren Länder zusammenkommenden Handels- und Gewerbsleute, – sie alle waren Boten des Evangeliums und erzählten von dem, was damals eben doch aller Herzen bewegte.[48]

Als im Jahre 1535 Joachim II., ein Freund der Reformation, die Regierung antrat, da erhob die lutherische Partei allenthalben hoffnungsmutig ihr Haupt; ihre Macht wuchs von Tag zu Tag. Fast scheint es, als ob es hier in Werben nicht ohne stürmische Auftritte abgegangen ist; auffallend ist es jedenfalls, dass in den noch vorhandenen Büchern der römischen Zeit überall die Titel und die ersten Blätter herausgerissen sind. In die wachsende Bewegung hinein traf die Nachricht, dass Joachim II. sich mit dem Empfang des evangelischen Abendmahls zum evangelischen Glauben bekannt hat. Da zögerte denn auch der Werbener Rat nicht länger, seinen evangelischen Glauben öffentlich zu bekunden. Noch im Jahre 1539 berief er den ersten evangelischen Prediger Augustin Brinkmann von Königsmark nach Werben. Und während die Ordensgeistlichen in der Pfarrkirche den Heiligendienst und das Verdienst guter menschlicher Werke rühmten, pries der neue evangelische Pfarrer, wie die Überlieferung berichtet, in der Kapelle des heiligen Geistes zum ersten Mal den lautlos und gespannt lauschenden Bürgern die freie Gnade in Jesu Christo und spendete denselben das Abendmahl der Einsetzung gemäß. Mit diesem Ereignis war der Sieg des Evangeliums entschieden, wenn auch der Widerstand der Johanniter-Komturei noch fünf Jahre fortdauerte.

Gewiss war die Stellung des Augustin Brinkmann, des ersten evangelischen Pfarrers, ungemein schwierig. War ihm auch der Rat in der Mehrzahl seiner Glieder aufrichtig zugetan, so war derselbe doch noch nicht berechtigt, in innerkirchlichen Dingen kräftig einzugreifen. Die Umwandlung der römisch-katholischen Kirchenverwaltung in eine evangelische musste auf fortwährende Schwierigkeiten stoßen, so lange das Patronat über Kirche und Schule noch in der Hand der katholischen Komturei war. Dies wurde erst anders im Jahre 1542.

Fußnoten

[48] Siehe unten.