d) Die Stadt von dem Abzug Gustav Adolfs bis zum Ende des Krieges.

Das Schicksal der Werbener Schanze war auch das der Stadt Werben. Fortwährend wechselte die Einquartierung; bald waren es kaiserliche oder sächsische, bald schwedische oder brandenburgische Truppen. Die einen hausten noch schlimmer als die anderen. Dazu kam, dass die Stadt nicht nur ihren Anteil zur Unterhaltung der Garnison in der Schanze, sondern auch ihre Kontribution für brandenburgische Regimenter zahlen und eigene Soldaten werben, ausrüsten und besolden musste. Zwar wurden ihr am 31. Oktober 1635 und am 20. November 1638 sogenannte Salve-gardien-Briefe erteilt, aber das brachte nur zu wenig Erleichterung. Zum Beweis dessen teilen wir den ersten jener beiden Briefe mit:

„Gegenwärtigem Sergeanten, welcher samt bei ihm habenden 20 Musketieren wegen allerhand besorgender Plackereien zur Salva guardi allhier zurückgelassen, soll der Rat nicht allein notdürftig Quartier, sondern auch den Unterhalt, als dem Sergeanten wöchentlich 2 Thaler und 3 Pfund Brot und drei Kannen Bier (täglich), einem gemeinen Soldaten aber täglich 2 Pfund Brot, 1 Pfund Fleisch und 2 Kannen Bier reichen. Man wird sie ehesten Tagen wieder abfordern. Werben, den 31. Oktober 1635. Kurf. Durchl. zu Sachsen etc. Ober-General-Kriegs-Kommissar und Oberst zu Fuß Joachim v. Schleinitz mppr."

Wie schwer mochte es der Stadt geworden sein, im November 1633 sechs Soldaten auszurüsten und nach Tangermünde zu senden! Jeder der Geworbenen erhielt 1 Thaler Laufgeld, 1 Thaler 12 Groschen zur Muskete, 3 Groschen zum Bandelier, 1 Thaler 12 Groschen für den Degen, 9 Groschen für das Gehänge, 6 Groschen für das Felleisen, 6 Groschen für ein Paar Handschuh, 4 Thaler 3 Groschen für 6½ Elle Zeug zum Kleid, 21 Groschen für das Unterfutter, 18 Groschen für Machlohn, 1 Thaler 3 Groschen für einen Hut und ein Paar Schuhe, dazu noch den monatlichen Sold.

Sah die Stadt am Anfang des Jahres 1635 Truppen des brandenburgischen Regiments „Borgstorf" in ihren Mauern, so sah sie ein Jahr später wieder schwedische Soldaten und zwar vom Regiment des Obersten Matthias Vorbusch in ihren Quartieren. Aber auch an hohen und höchsten Herrschaften fehlte es in diesem Jahre 1636 nicht, da war hier am 31. Januar der schwedische Hofmeister Graf von Brandenstein, am 2. Februar Ihrer Majestät Sohn Gustavus der Jüngere, am 15. desselben Monats der Generalmajor Khin, am 18. März der General-Kriegskommissar Melchior von Falkenberg und am 21. März Ihre Exzellenz Oxenstierna, schwedischer Kanzler, mit „100 Pferden". Wenn man bedenkt, dass allein jener Generalmajor bei sich 2 Oberstleutnants, 1 Rittmeister, 3 Leutnants, 1 Kornett, 1 Quartiermeister, 4 Aufwärter, 1 Regimentsfeldscher, 2 Lakaien, 1 Korporal, 2 Knechte, 16 Kutschpferde hatte, so muss man sich billig wundern darüber, dass die arme, gänzlich ausgeplünderte Stadt überhaupt noch Quartier für so viele beschafft hat.

Im Jahre 1637 traf die Stadt wie das ganze Land ein neuer harter Schlag: Durch Kurfürstliches Edikt wurde am 12. August desselben Jahres die „Kriegsmetze“ eingeführt, welche darin bestand, dass von jedem Scheffel Korn, welcher zur Mühle gebracht wurde, eine Metze, und von jedem Brauen Malz ein Scheffel an die Ziesemeister abgeliefert werden musste.

In den folgenden Jahren blieb zwar die Altmark von größeren Einquartierungen verschont, weil sie so furchtbar zu Grunde gerichtet war, dass sie keine Armee mehr ernähren konnte: dagegen musste sie für ein schwedisches Regiment eine monatliche Kontribution von mindestens 3000 Thaler aufbringen, so steuerte z. B. Werben für den Monat August 1639 zu den 2858 Thaler 9 Groschen, die aufgebracht werden mussten, 96 Thaler bei.

Entsetzlich aber wurde die Lage der unglücklichen Stadt wieder im Jahre 1640. Am 10. November 1640 kam nämlich der brandenburgische Oberst Volkmann mit einer ungeheuren Menge Reiterei und Fußvolk nach Werben. Für all seine Truppen verlangte er in der Stadt Quartier, so dass auf ein Haus 30 - 63 Pferde und ebenso viele Musketiere kamen. Nachdem man sich eine Nacht beholfen, sah sich der Oberst auf vielfältige „blutige" Tränen veranlasst, wenigstens einige Kompanien Reiter auf die Dörfer zu verlegen. Da aber das Fußvolk bis in den zwölften Tag in der Stadt blieb und nur von Tangermünde einmal eine Hilfesendung von 792 Pfund Brot und 6 Tonnen Bier anlangte, so gab es kein einziges Quartier, in welchem das Geringste geblieben. Kaum waren diese Dränger fort, da kamen am 25. November schon wieder 360 Reiter von Tangermünde an. Dazu sandte der Hauptmann von Strantz aus der Schanze Exekutoren, um seine Kontribution – natürlich vergeblich – zu fordern. Dazu kam noch, dass jeden Augenblick von der Elbe her Gefahr drohte, weil die Elbdeiche in der schweren Zeit nicht in ordentlichem Stand gehalten werden konnten. Da war es kein Wunder, wenn der Rat die Hilfe des Kurfürsten aufs flehentlichste anrief. Freilich konnte auch der Fürst vorläufig nicht helfen.

Damit nun die Stadt Werben mit dem dahinter liegenden Elbdeich nicht ferner als Deckung für feindliche Armeen benutzt werden könnte, hatte der Statthalter Graf Dietrich von Schwarzenberg schon im Frühjahr 1640 ein Kommando von 150 Reitern nach Werben gesandt, um Tore und Mauern niederzulegen und den befestigten Ort zu einem offenen zu machen. Die äußere Mauer wurde vermittels Schrauben vollständig niedergelegt; auch in die zweite waren schon Löcher eingehauen, als Gegenbefehl eintraf. Damit hatte die Kriegsnot keineswegs ein Ende, vielmehr dauerten die Einquartierungen, die Kontributionen und die Durchzüge unverändert fort. Welche Truppenmassen hat doch damals die Stadt vorüberziehen sehen! Am 3. April 1642 überschritt der schwedische Oberbefehlshaber Torstenson hier die Elbe, am 6. Dezember 1643 das Lumsdainsche Regiment, im August 1644 der kaiserliche General Clam Gallas, der auch auf seinem Rückzug von der Eider her wieder durch die Altmark kam. Im Winter des Jahres 1641 waren Seehausen und Werben dem schwedischen Hochfinschen Regiment zum Quartier, im Februar des darauffolgenden Jahres war letzteres dem Livländischen Regiment zur Unterhaltung angewiesen, im Juli und August 1644 war Werben den Truppen des Clam Gallas preisgegeben. Von der Höhe der Kontribution aber gibt uns die folgende Rechnung einen Beweis: Vom Mai 1643 bis März 1644 hatte Werben 168 Thaler 8 Groschen 5 Pfennig aufgebracht, wovon 94 Thaler 10 Groschen an das Duwaldsche Regiment, 16 Thaler 23 Groschen Servis an einen Fähnrich, 33 Thaler an das Ribbecksche und 16 Thaler 12 Groschen an das Trottsche Regiment gezahlt wurden.

Die 1643 begonnenen Friedensverhandlungen kamen zwar 1648 zum Abschluss, aber, da die schwedische Besatzung im Lande blieb, bis die an Schweden zu zahlende Geldentschädigung entrichtet war, konnte man damals noch nicht den Frieden feiern. Erst als durch eine schwere allgemeine Kopfsteuer die nötigen Gelder aufgebracht und die Schweden befriedigt waren, konnte man in der Mark das so heiß ersehnte Friedensfest feiern. Am 6. November 1650 wurde es auch hier feierlich begangen.